Der Deutsche Städtetag informiert: Die Bundesnetzagentur und das Bundeskartellamt hatten im Jahr 2010 zum ersten Mal einen gemeinsamen Leitfaden zur Strom- und Gaskonzessionsvergabe erarbeitet. Dieser wurde nunmehr aktualisiert und in 2. Auflage am 21. Mai 2015 veröffentlicht.
Die überarbeitete Auflage berücksichtigt die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) im Jahre 2011 sowie die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) und der Oberlandes- und Oberverwaltungsgerichte der letzten Jahre. Es wurden zahlreiche Konkretisierungen vorgenommen, die aus kommunaler Sicht zu begrüßen sind. Dabei handelt es sich zum einen um Ausführungen zur Gewichtung der Auswahlkriterien, der Bildung von Unterkriterien, dem Auswahlverfahren und der Entscheidung darüber sowie zum Umfang der Informationsherausgabe an die Gemeinde. Damit dient der Leitfaden als Handreichung für Kommunen sowie Unternehmen bei der Umsetzung der für die Konzessionsvergabe geltenden energierechtlichen Bestimmungen.
Wie bereits oben erwähnt, werden insbesondere die Grundsatzentscheidungen des BGH vom 17. Dezember 2013 in den Fällen „Heiligenhafen“ (KZR 65/12) und „Sandesneben-Nusse/Berkenthin“ (KZR 66/12), vom 3. Juni 2014 in dem Fall der Stadt Homberg (EnVR 10/13) sowie vom 7. Oktober 2014 in der Rechtssache „Olching“ (EnZR 86/13) berücksichtigt.
I. Aus kommunaler Sicht greift der Leitfaden folgende wichtige Fragen auf:
1. Anforderungen an das Auswahlverfahren
Der Leitfaden trifft Aussagen zu Auswahl und Gewichtung der Kriterien des § 1 EnWG und ihrem Verhältnis zu den gemeindlichen Kriterien sowie den Grenzen des § 3 Konzessionsabgabenverordnung (KAV). Unter Bezugnahme auf die BGH-Entscheidung im Fall „Stromnetz Berkenthin“ wird erläutert, dass die Ziele des § 1 EnWG gegenüber den Kriterien, die einen Bezug zum Konzessionsgegenstand haben und nach der KAV zulässig sind, vorrangig berücksichtigt werden müssen. Zusätzlich neben den Auswahlkriterien des § 1 EnWG sollen Kriterien zulässig sein, die nach der KAV zulässige Leistungen im Zusammenhang mit der Wegenutzung zum Gegenstand haben. Rein ausschließliche fiskalische Interessen der Gemeinde als Auswahlkriterien würden dem nicht genügen. Zudem dürfe keine Bevorzugung kommunaler Bewerber durch die spezifische Verwendung von Auswahlkriterien erfolgen.
Darüber hinaus nimmt der Leitfaden auch Stellung zur Gewichtung und der Bekanntgabe von Unterkriterien. I.d.R. bestehe keine Pflicht zur Bildung derartiger Kriterien. Sofern diese allerdings gebildet werden, müssen diese ebenfalls gewichtet und vor der Abgabe der Angebote transparent gemacht werden.
Im Zusammenhang mit der Konzessionsvergabe an kommunale Unternehmen müsse die Gemeinde die von ihr angewandten Auswahlkriterien rechtzeitig vor der Angebotsabgabe allen Bewerbern mitteilen. Dies beziehe sich sowohl auf die Gewichtung der Kriterien als auch auf das beabsichtigte Vorgehen bei der Wertung der Angebote.
Sofern die Kommune sich an dem Wettbewerb um die Konzession selbst beteilige, dürfe sie den kommunalen Bewerber nicht durch gezielte Vorabinformation bevorzugen.
Im Hinblick auf die Bekanntgabe der Auswahlentscheidung weist der Leitfaden ausdrücklich darauf hin, dass keine Pflicht zur Mitteilung der beabsichtigten Auswahlentscheidung an die Bieter vor Abschluss des Wegenutzungsvertrages besteht. Gleichwohl sei entsprechend der BGH-Entscheidung „Berkenthin“ eine Präklusion der Bieter bei fehlender Rüge in Anlehnung an den im § 101 a GWB zugrundeliegenden Rechtsgedanken zu berücksichtigen, wenn die Gemeinde alle Bewerber um die Wegenutzungsrechte in Textform über ihre beabsichtigte Auswahlentscheidung unterrichte und den Wegenutzungsvertrag erst 15 Kalendertage nach Absendung der Information abschließe. Diese Präklusion beziehe sich allerdings nur auf die Verträge, die erst nach Bekanntwerden des o.g. BGHUrteils geschlossen wurden.
Entsprechend der Entscheidung in der Rechtssache „Olching“ stellt der Leitfaden klar, dass die Fehler der Kommunen bei der Auswertung der Angebote nur dann relevant und kausal für die Auswahlentscheidung seien, wenn sie sich auf die Reihenfolge der Angebote dergestalt auswirken, dass das erstplatzierte Angebot nicht den Zuschlag erhalten hätte.
2. Umfang der Informationsherausgabe an die Gemeinde
Im Hinblick auf den Informationsanspruch der Kommunen gegenüber dem bisherigen Nutzungsberechtigten wird nach dem jeweiligen Verfahrensstadium der Konzessionsvergabe unterschieden. Entsprechend der gewandelten Rechtsprechung wurde der Katalog der an die Kommune herauszugebenden Daten erheblich ausgeweitet. Danach sind nicht nur die technischen Netzdaten, sondern darüber hinaus auch kalkulatorische Netzdaten von dem Auskunftsanspruch der Kommunen umfasst. D.h.: die historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie die kalkulatorischen Restwerte und Nutzungsdauern der Versorgungsanlagen fallen darunter.
II. Bewertung des Inhalts des Leitfadens
Die längst überfällige Aktualisierung und Überarbeitung des gemeinsamen Leitfadens der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamtes sind zu begrüßen. Er dient den Gerichten als Grundlage bei der Entscheidungsfindung. Insofern kann die Überarbeitung zu mehr Rechtsklarheit führen. Gleichwohl bleiben die Rechtsunsicherheiten bei der Konzessionsvergabe trotz einiger wichtiger Darstellungen durchaus bestehen und sind mit dem Risiko der vollständigen Rückabwicklung von Konzessionsverträgen verbunden.
Obwohl die neue Rechtsprechung zur Konzessionsvergabe in einigen Punkten durchaus vom Deutschen Städtetag sowie den anderen kommunalen Spitzenverbänden positiv bewertet wurde, bleiben dennoch eine erhebliche Anzahl von Unsicherheiten. Der Leitfaden greift nur einige wenige Eckpunkte auf, die die kommunalen Spitzenverbände als zwingend für eine Erleichterung der Konzessionsvergabe bei der Novelle des EnWG gefordert haben.
Rechtssicherheit kann daher nur durch eine Novelle des EnWG geschaffen werden. Der Deutsche Städtetag hat die Bundesregierung bereits vor längerer Zeit aufgefordert, die im Koalitionsvertrag bereits angekündigten Schritte zur Verbesserung des Bewertungsverfahrens bei der Neuvergabe von Konzessionen und der Rechtssicherheit im Netzübergang endlich in die Tat umzusetzen. Nach uns vorliegenden Informationen wird im BMWi zur Zeit an der Novelle des EnWG gearbeitet.
Der Leitfaden ist erhältlich unter
(Quelle: RdSchrb.DST vom 10. Juni 2015)